@nilsma

Deterministische und statistische Untergrundmodelle des Vulkans Merapi (Java, Indonesien): eine Analyse künstlich erzeugter seismischer Signale

. Universität Potsdam, Potsdam, Germany, (November 1999)

Abstract

Einer der wichtigsten Parameter zur Abschätzung des aktuellen Aktivitätszustandes eines Vulkans ist seine Seismizität. Auch am Hochrisiko-Vulkan Merapi (Java Indonesien), der im Rahmen des deutsch indonesischen Gemeinschaftsprojektes MERAPI interdisziplinär untersucht wird, zeigt sich vor vielen explosiven Eruptionen ein deutlicher Anstieg der seismischen Aktivität. Welche physikalischen Mechanismen in der Herdregion die verschiedenen beobachteten seismischen Signale erzeugen ist aber noch grö\unverstanden. Ein Hauptproblem liegt darin, dass über die seismischen Eigenschaften des Untergrundes, in dem sich die Signale nach der Entstehung im Herd ausbreiten, nur wenig bekannt ist. Hierdurch ist es äu\ßerst schwierig, die Quelleffekte von den später entstandenen Ausbreitungseffekten zu trennen. Um dieses Problem zu lösen wurde am Vulkan Merapi die seismische Untergrundstruktur mit Hilfe eines aktiven seismischen Experiments untersucht. Die Signale der künstlichen Quellen wurden in einer Entfernung von 4 m mit Hilfe eines Abriss-Seismometers registriert. Somit ist in diesem Fall das Herdsignal bekannt und die reinen Ausbreitungseffekte können studiert werden. Drei 3 km lange seismische Profile, bestehend aus jeweils bis zu 30 3-Komponenten Seismometern mit einem Stationsabstand von 100 m, wurden im Höhenbereich zwischen 1000 und 2000 m über NN radial zum Gipfel aufgebaut. Als seismische Quellen dienten 2.5-l-Luftpulser, die in drei Wasserbecken an unterschiedlichen Flanken des Vulkans in 5 km Entfernung vom Gipfel geschossen wurden. Diese spezielle seismische Quelle erzeugt ein wohldefiniertes und impulsförmiges Quellsignal mit hoher Reproduzierbarkeit. Wiederholte Schüsse wurden im Abstand von ca. 2 min abgegeben, sodass bis zu 100 Registrierungen zur Stapelung zur Verfügung standen. Aus den registrierten Seismogrammen lässt sich auf zwei wesentliche Merkmale des Untergrundes zurückschlie\ßen: Erstens existiert eine oberflächennahe seismische Niedergeschwindigkeitszone und zweitens führen kontrastreiche kleinräumige Fluktuationen der P- und S-Geschwindigkeit sowie der Dichte zu starker Streuung der seismischen Wellen. Die oberflächennahe Niedergeschwindigkeitszone zeigt sich an allen drei Profilen und wird mit Hilfe der direkten P Welle nachgewiesen. Die gemessenen Laufzeitkurven des Ersteinsatzes an den 3 quellnahen Profilen werden durch Refraktionsmethoden in lokal gültige 1D-Geschwindigkeitsmodelle invertiert. Hiernach beträgt die P-Geschwindigkeit ca. 0.8 km/s an der Oberfläche und steigt auf ca. 3.0 km/s in 200 m Tiefe an. Der Stratovulkan Merapi baut sich aus kleinräumig sehr schnell variierenden Materialien auf. Einerseits wechseln sich unterschiedliche Schichten wie z. B. die Ablagerungen von pyroklastischen Strömen und Lahars oder Aschelagen ab. Andererseits liegt aber keine einfache 1D-Schichtung vor, da die pyroklastischen Ströme selbst wieder aus feiner Asche und bis zu metergro\Gesteinsblöcken zusammengesetzt sind und die starke Topographie zu einer unregelmä\verteilten Ablagerung führt. Diese geologisch beobachteten Inhomogenitäten haben einen entscheidenen Einfluss auf die seismischen Signale. Die direkten Wellen werden stark gedämpft. Hierdurch sinkt die Amplitude der P-Welle bereits nach wenigen Kilometern unter das Rauschniveau ab. Die Messung des Qualitätsfaktors ergibt für die P-Welle QP \~ 11-20. Eine kohärente S-Welle kann an einem der drei Profile bis in eine Entfernung von ca. 900 m beobachtet werden, während an den beiden anderen Profilen gar keine S-Wellen erkennbar sind. Die Energie, die der direkten Welle verloren geht, wird aber nicht wie bei der intrinsischen Dämpfung in andere Energieformen umgewandelt, sondern tritt in Form von seismischen Streuwellen im späten Teil des Seismogramms wieder auf. Ab dem direkten P-Einsatz steigt die Energie in den registrierten Seismogrammen langsam und stetig bis auf ein gegenüber den direkten Wellen weit nach hinten verschobenes Maximum an. Die beobachtete Seismogrammeinhüllende wird mit Hilfe des Diffusionsmodells erklärt. Nach diesem Modell existieren so zahlreiche und starke Inhomogenitäten, dass die direkten Wellen vernachlässigt werden können und nahezu alle Energie in Form von vielfach gestreuten Wellen vorliegt. Hierbei kann der Ausbreitungsweg der Streuwellen wie bei der Dif fusion von Gasen durch einen Random Walk beschrieben werden. Neben der Seismogrammeinhüllenden deuten auch die Kohärenz- und Polarisationseigenschaften des Wellenfeldes auf Streueffekte hin. Nur der direkte P-Einsatz zeigt die erwartete Kohärenz über den Stationsabstand von 100 m. Die späteren energiereichen Phasen hingegen sind überwiegend inkohärent. Die Polarisationsanalyse zeigt, dass die Wellen nahezu aus beliebigem Azimuth am Empfänger eintreffen. Als Resultat der Inversion mit dem Diffusionsmodell ergeben sich S-Wellen Qualitätsfaktoren QSs für die Streudämpfung, die je nach Frequenz zwischen 1.3 und 11 liegen, während die Qualitätsfaktoren QSi für die intrinsische Dämpfung 68 bis 288 betragen. Die Dämpfung der direkten Wellen wird hiernach nahezu ausschlie\durch Streuung verursacht, während die intrinsische Dämpfung vernachlässigt werden kann. Der Wert für die mittlere freie Weglänge 1/etas der S-Wellen liegt bei 100 m. Dies bedeutet, dass bereits ab wenigen hundert Metern Entfernung von der Quelle Mehrfachstreuung auftritt. Der Streudämpfungskoeffizient etas ist an allen 3 Profilen nahezu frequenzunabhängig, während der intrinsische Dämpfungskoeffizient etai mit steigender Frequenz zunimmt. Auch die natürliche Seismizität des Merapi zeigt ähnliche Charakteristika. Ein Ersteinsatz ist nur schwer zu erkennen und das Maximum der Energie ist deutlich gegenüber dem Ersteinsatz nach hinten verschoben. In der Arbeit wird gezeigt, dass sich eine bestimmte Klasse von Ereignissen trotz komplizierter beobachteter Seismogramme möglicherweise durch eine einfache, impulsartige Quelle erklären lässt, wenn ein stark streuendes Ausbreitungsmedium angenommen wird.

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