Incollection,

Materiale Analyse des säkularisierten Glaubens als Beitrag zu einem empirisch gesättigten Säkularisierungsbegriff

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Zwischen Säkularisierung und religiöser Vitalisierung. Religiosität in Deutschland und Polen im Vergleich, Springer VS, Wiesbaden, (2014)

Abstract

Längst ist zum Allgemeinplatz geworden, dass die sogenannte Säkularisierungsthese in der Soziologie, und nicht nur dort, die breite Anerkennung verloren hat, die ihr früher einmal beschieden war. Nun bedeutet das aber offenkundig nicht, dass sich die Fachdiskussionen von ihr abwenden und sie als einen überholten Theorieansatz hinter sich lassen, wie sich dies etwa Rodney Stark in seinem vielzitierten Aufsatz „Secularization R.I.P.“ (Stark 1999) erhofft hat. Im Gegenteil findet die Auseinandersetzung mit ihr mittlerweile in ungekannter Breite und Intensität statt, wovon auch diese Tagung zeugt. Kontroversen löst vor allem die Frage aus, ob nicht nur in Politik und Gesellschaft sondern auch auf der Ebene individueller Glaubensvorstellungen und Lebensführung ein Säkularisierungsprozess zu konstatieren ist. Diese Frage wurde mit den Mitteln der quantifizierenden Forschung, nicht zuletzt der Umfrageforschung, bereits auf vielfältige Weise bearbeitet, was bei einer Trendhypothese nur konsequent ist. Materiale Analysen, die näheren Aufschluss über die Natur säkularisierter Glaubensvorstellungen und eine dadurch angeleitete Lebensführung zu geben versuchen (z.B. Denèfle 1997), bleiben hingegen die Ausnahme oder richten sich überwiegend auf Phänomene des Säkularismus und Atheismus (z.B. Wohlrab-Sahr, Karstein & Schmidt-Lux 2009), die aber nur wenig entwickelte Erscheinungsformen repräsentieren und in ihren ersatzreligiösen Zügen noch eine große Nähe zu den traditionellen Religionen aufweisen. Den Bedarf nach solchen Analysen mag man etwa daran ablesen, dass „Säkularisierung“ nach wie vor, selbst unter ausgewiesenen Säkularisierungstheoretikern (z.B. Bruce 2006; Norris & Inglehart 2004), überwiegend nur negativ bestimmt wird als Prozess eines fortschreitenden Bedeutungsverlustes von Religion. Was dagegen eine säkularisierte individuelle Lebensführung „positiv“ kennzeichnet, bleibt weitgehend offen – mit weitreichenden Folgen für den religionssoziologischen Diskurs und nicht zuletzt auch für die quantifizierende Forschung. Der Vortrag soll diesen Bedarf nach einem materialanalytisch gesättigten Säkularisierungsbegriff darlegen und dabei mit einer kurzen Interviewanalyse das Potential solcher Analysen wenigstens illustrieren. Das dabei verwendete Fallmaterial entstammt meinen Promotionsforschungen und besteht insbesondere aus Interviews mit jüngeren Erwachsenen. Die säkularisierten Glaubensvorstellungen von Angehörigen der jüngeren Generationen sind insofern ein vielversprechender Gegenstand, als die Säkularisierungsthese auch Implikationen im Hinblick auf den Generationenwandel hat und ihr zufolge bei den Jüngeren die Wahrscheinlichkeit am größten ist, auf besonders avancierte Formen säkularisierter Lebensführung zu treffen, denn wo etwas besonders „ent-wickelt“ ist, liegt es auch am deutlichsten zutage und lässt es sich am ehesten auf den Begriff bringen.

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  • @manfranz

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