Mastersthesis,

Refinanzierungsmodelle von Pervasive Computing Systemen im deutschen Gesundheitswesen

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diploma thesis, (2008)

Abstract

Aus dem Kapitel "Zusammenfassung": Rückblickend auf das Finanzierungs- und Vergütungssystem und die gesetzlichen Regularien im deutschen Gesundheitswesen lässt sich Folgendes festhalten: Der komplexe und sich ständig wandelnde Regulierungsrahmen (Medizinproduktrecht, CE-Zertifizierung, HTA-Evaluation, gesetzliche Leistungskataloge etc.) kann teilweise zu erheblichen Belastungen für die medizinischen Leistungserbringer bei der Einführung von Pervasive Computing führen (vgl. auch Orwat und Panova 2008). Dies kann besonders dann der Fall sein, wenn Refinanzierungsmöglichkeiten gesucht, ausgehandelt und realisiert werden sollen. Zu beachten sind weiterhin die langen Zeiten und hohen Kosten klinischer Studien zum Nachweis des medizinischen Nutzens, der Wirtschaftlichkeit und medizinischen Notwendigkeit innovativer Medizinprodukte und neuer Diagnose- und Therapieverfahren. Bei der Evaluation und der Frage nach der Einführung und Refinanzierung von Pervasive Computing Systemen werden Kosten-Nutzen-Analysen bzw. gesundheitsökonomische Studien auch in Zukunft eine bedeutende Rolle spielen. Die aufwändigen Verfahren der Zulassung und Aufnahme von Innovationen in die gesetzlichen Vergütungskataloge (G-DRG und EBM) stellen auch aus Sicht der Technologieanbieter einen aufwändigen und langwierigen „trial-and-error“ Prozess dar, insbesondere für kleine und mittelständische Medizinprodukt-anbieter bzw. junge Unternehmen. Damit könnte unter anderem die Tatsache begründet werden, dass sehr viele Medizininnovationen in Deutschland entstehen, aber ca. 80% der Verkäufe im Ausland erzielt werden. Das Problem der teuren klinischen Studien könnte mit der öffentlichen Finanzierung von Studien, Forschungs- und Pilotprojekten sowie frühen Implementierungsschritten gemindert werden. Eine (Vor)Finanzierung durch die Herstellerfirmen bei der Einführung von Pervasive Computing Systemen wäre eine weitere Möglichkeit, den Markt für das innovative Gerät zu erschließen. Generell besteht die Möglichkeit, innovative Pervasive Computing Anwendungen auf dem regulären Weg in die GKV-Leistungskataloge (EBM und G-DRG) einzuführen und somit die Refinanzierung durch die gesetzlichen Krankenkassen sicher zu stellen. Dieser Prozess ist allerdings langwierig und mit hohen Kosten verbunden. Einige Reformen zielen ansatzweise auf den Abbau von Innovationshemmnissen in Deutschland ab. Als Beispiele können die Einführung der Innovationsklausel zur Überbrückung der sog. „Innovationslücke“ des G-DRG-Systems sowie die Einführung der Integrierten Versorgung genannt werden. Laut eigenen Angaben im Rahmen des Expertengesprächs ist der G-BA in Zukunft bestrebt, sektorenübergreifende Beschlüsse über die Aufnahme oder Ausschluss von innovativen Gesundheitsleistungen zu fassen, d.h. also eine Gesundheitsleistung sollte mit einem Beratungsverfahren im stationären und im ambulanten Bereich entweder ausgeschlossen oder für beide Bereiche gleichermaßen in den gesetzlichen Leistungskatalog aufgenommen werden. Es besteht grundsätzlich die Möglichkeit der Einführung und Refinanzierung von Pervasive Computing Systemen im Rahmen einer Privatliquidation in Form von individuellen Gesundheitsleistungen bzw. medizinischen Wahlleistungen. Allerdings wirft diese Finanzierungsstrategie ethische Fragen nach der Versorgungsgerechtigkeit auf und ist außerdem in der Praxis (wie die Expertengespräche im Rahmen der Diplomarbeit belegen) oft mit Schwierigkeiten und Akzeptanzproblemen seitens der Patienten verbunden. Eine Refinanzierung des Telemonitoring mit auf Pervasive Computing basierenden Monitoring-Geräten im Rahmen von Modellvorhaben oder IV-Verträgen ist derzeit der realistischste Ansatz in der Praxis. Ein großer Vorteil der IV-Verträge liegt darin, dass sie weniger aufwändig als die Modellvorhaben sind. Notwendig wären in jedem Fall Nachweise der Wirtschaftlichkeit und des Nutzens sowie möglicher Kosten-einsparungen durch den Einsatz der Monitoring-Geräte, um die Krankenkassen zu überzeugen, die Leistungen zu finanzieren. Um eine Refinanzierung des Pervasive Computing im Rahmen der GKV zu ermöglichen, sollte dessen Einsatz also nicht nur medizinisch sinnvoll sein, sondern auch möglichst zu Kostensenkungen führen (z.B. durch Senkung der Krankenhausaufenthaltsdauer, Senkung der Therapieabbruchquote etc.). Generell zeigen sich die befragten Krankenkassen an innovativen tele-medizinischen Versorgungsmodellen interessiert. Um eine Refinanzierung von Pervasive Computing durch die gesetzlichen Krankenkassen im Rahmen von DMPs, MVZ oder Verträgen nach § 116b SGB V zu ermöglichen, müssten die damit verbundenen Gesundheitsleistungen in der Regel bereits im GKV-Leistungskatalog aufgenommen sein, weil hier die gleichen Regelungen wie im ambulanten Sektor gelten. Eine alternative Refinanzierung außerhalb der GKV ist durch eine Senkung der Kosten in der eigenen Organisation möglich, wenn beispielsweise der Einsatz von telemedizinischen Leistungen zu einer Stärkung der Patientenbindung, Senkung der Abbruchquote, Verbesserung der Kommunikation zwischen Krankenhaus, MVZ, ambulanten Leistungserbringern etc. führt. Eine generelle Refinanzierung von medizinischen Innovationen im Rahmen von DMPs ist aus Sicht der Krankenkassen derzeit nicht möglich, weil die Anforderungen von DMPs vom Gesetzgeber genau vorgeschrieben sind und in der Regel keine Wahlmöglichkeiten für die Krankenkassen bestehen. Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass die neuen Formen der Leistungserbringung und -vergütung (wie z.B. Integrierte Versorgungsmodelle, Verhandlungslösungen mit Krankenkassen, MVZ etc.), grundsätzlich einige neue Möglichkeiten für die Einführung von Pervasive Computing bieten. Die Überwindung der sektoralen Trennung im Gesundheitswesen ermöglicht nicht nur eine Kosten-aufteilung bei der Einführung von innovativen Gesundheitstechnologien, sondern auch eine Aufteilung des Nutzens einer Innovation unter allen Beteiligten (Patienten, Ärzten, Krankenhäusern, Krankenkassen und Industrie). Diese neuen sektorübergreifenden Versorgungsformen sind allerdings oft mit einem erheblichen Verwaltungs- und Verhandlungsaufwand bei den beteiligten Akteuren verbunden. Zum 1. Januar 2009 wird der Gesundheitsfond durch das GKV-Wettbewerbs-stärkungsgesetz (GKV-WSG) eingeführt. Welche Auswirkungen das auf die Finan-zierung von DMP, IV-Verträgen sowie auf die Investitionsaktivitäten der gesetzlichen Krankenkassen im Hinblick auf Erprobung und Finanzierung von Pervasive Computing haben wird, könnte Schwerpunkt weiterer Untersuchungen sein. Interessant wäre auch die Frage nach den Auswirkungen des G-DRG-Systems auf die zukünftigen Investitionsaktivitäten der Krankenhäuser. Eine Erweiterung der Anschubfinanzierung im Rahmen der Integrierten Versorgung ab 2009 ist derzeit nicht geplant. Welchen Einfluss dies auf die Entwicklung der IV haben wird, bleibt zurzeit noch offen. Weitere interessante Erkenntnisse im Bereich Telemedizin und Pervasive Computing könnten Ländervergleiche von Deutschland mit Ländern, die sich durch eine ähnliche Organisation des Gesundheitswesens charakterisieren, liefern.

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