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Kontrollierte Dezentralisierung? Abweichende Tarifvereinbarungen in der Metall- und Elektroindustrie

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Industrielle Beziehungen, 16 (3): 232--253 (2009)
DOI: 1688/1862-0035_IndB_2009_03_Haipeter

Abstract

Die Tarifabweichung als von den Tarifparteien legitimierte betriebliche Unterschreitung von Flächentarifvertragsnormen gehört zu den wichtigsten neueren Entwicklungen des deutschen Tarifsystems. Während die wilde Dezentralisierung durch die Betriebsparteien oder die Tarifflucht der Unternehmen unbestreitbar eine Erosion des Tarifsystems bedeuten, sind die Folgewirkungen der Tarifabweichung weniger eindeutig. Im Beitrag werden die Ergebnisse einer Untersuchung aller abweichenden Tarifvereinbarungen der Metall- und Elektroindustrie seit Abschluss des „Pforzheimer Tarifvertrages“ vorgestellt. Dabei wird herausgearbeitet, dass die Bewertung der Tarifabweichung entscheidend von der empirisch zu beantwortenden Frage abhängt, inwieweit sie von den Tarifparteien prozedural und inhaltlich kontrolliert werden kann. In der Metall- und Elektroindustrie konnte die gewerkschaftliche Kontrolle in beiden Dimensionen vertieft werden. Die wichtigsten Grundlagen dafür sind die Intensivierung der verbandlichen Koordinierung und die Stärkung der gewerkschaftlichen Organisationsmacht in der betriebsnahen Tarifpolitik. Die Tarifabweichung geht aber einher mit Veränderungen in der Architektur des Tarifsystems, der Handlungslogik der Tarifparteien und der Interaktionskultur der Konfliktpartnerschaft. Zudem ist die Tarifabweichung kein Allheilmittel zur Lösung der Probleme des Tarifsystems.

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