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Unmögliche Ideologiekritik : vom Scheitern des Mediendiskurses und seiner "Demokratisierung"

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junge Welt, (January 2022)

Abstract

Im Jahre 1997 erschien im Kölner Supposé-Verlag ein unscheinbares Büchlein mit dem Titel »Elektronische Einsamkeit«. Als Autorenkollektiv fungierte die niederländische »Agentur Bilwet« (1983–1999), ursprünglich bestehend aus fünf Künstlern und Netzaktivisten. Abgesehen davon, dass man allein aus dieser Veröffentlichung mehr über die gesellschaftliche Stellung des Internets erfahren konnte als aus vielen späteren Abhandlungen, sezierte die Agentur in wenigen Strichen das, was sich über Jahrzehnte im Mediensektor abgespielt hatte und dessen Resultate heute offen vor unseren Augen stehen. Dort heißt es: »Das Zeitalter des Drauflosdenkens bricht nunmehr an. Totale Falsifikation schmälert nicht den möglichen Wert der lügengestraften Theorie. Im Grunde genommen beschäftigt sich das Denken nicht mit der Frage, wie die Welt zusammengesetzt ist, sondern wie sie sich organisiert, wenn man sie auf eine bestimmte Weise betrachtet.« Schließlich wird der entscheidende Punkt angesprochen: »Der Diskurs kann zwar schwächer werden, abschweifen, radikale Wendungen nehmen, sich über das gesamte Feld der Wirklichkeit ausbreiten, bis zu den intimsten Stellen vordringen, unterdrückt werden, an die Macht kommen oder eine Gegenmacht bilden, aber er kann nicht von einem Lügendetektor entlarvt werden. Es kommt stets mehr von derselben Wahrheit heraus. Der Diskurs wird im allgemeinen nicht öffentlich verhandelt, funktioniert aber hinterlistig hinter den Kulissen. Wird der Mediendiskurs je scheitern, völlig im Nebel stehen, so dass jeder auf der Stelle beschließt, etwas Vernünftigeres zu tun? Davon kann man wohl ausgehen.«

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