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    Professor für Medienwissenschaft an der Universität Tübingen: "deutsche Tageszeitungen haben in den letzten zehn Jahren etwa fünf Millionen Käufer verloren, zahlreiche Magazine sind vom Markt verschwunden oder ächzen unter der Anzeigenflaute und müssen die Preise erhöhen. Das Netz sorgt dafür, dass existenziell wichtige Einnahmen wegbrechen, Anzeigen abwandern, die nicht mehr zurückgewonnen werden können. Und die User sind (dies erweist sich als nicht mehr korrigierbarer Fehler) längst an die Gratiskultur gewöhnt und wollen für hochwertige publizistische Angebote und damit auch für die große Reportage nicht mehr selbstverständlich bezahlen. Kurzum: der Qualitätsjournalismus hat ein echtes Refinanzierungsproblem und droht seine Basis zu verlieren – ohne dass ökonomisch robuste Alternativen in Sicht wären, ohne dass sich das Trägermedium der Zeitung oder der Zeitschrift einfach austauschen ließe und man mit ein paar Multimedia-Slides auf einer Website echte Abhilfe oder ernst zu nehmende Alternativen schaffen könnte. Gleichzeitig regiert in der Branche eine längst kontraproduktiv gewordene Lust an der Apokalypse und ein modernisierungshungriger Opportunismus, der das Medium des Gedruckten und die mit ihm eng verbundene Kultur der allmählichen, der notwendig verzögerten Produktion und Reflexion vorschnell verloren gibt. Der Printmarkt wird längst als"Dead Tree Industry" verspottet...Blogger und Medienjournalisten und auch Medienwissenschaftler überbieten sich inzwischen wechselseitig in ihren oft euphorisch-brüllenden Prognosen, wann die letzte Zeitung gedruckt wird – und sie übersehen dabei: noch gibt es kein publizistisches Forum, das in ähnlicher Weise Themen von allgemeiner Relevanz auf die Agenda zu setzen vermag, sie überhaupt professionell auszuwählen und publikumsgerecht zu arrangieren verstünde. Deshalb muss man ihnen entgegenhalten: Der Qualitätsjournalismus der Zeitungen und Zeitschriften wird – trotz aller sehr realen Schwierigkeiten – gegenwärtig viel zu leichtfertig und viel zu früh ins Grab geredet."
    13 years ago by @immaterialgut
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    Prantl widerspricht dem Plädoyer des Philosophen Jürgen Habermas und des früher für die Pressefreiheit zuständigen Bundesverfassungsrichter Dieter Grimm, Zeitungen künftig staatlich zu finanzieren: „Ich will…vor allem deswegen…keinen Notgroschen für die Zeitungen, weil ich die Not der Zeitungen, über die allenthalben geklagt wird, so nicht sehe. Ich sehe eher einen merkwürdigen journalistischen Dekadentismus, der eine Mischung ist aus Melancholie, Leichtlebigkeit, Weltschmerz und vermeintlicher Ohnmacht gegenüber Anzeigenschwund und Internet, gegenüber dem Stand und dem angeblichen unaufhaltsamen Gang der Dinge" (PRANTL 2009a, S.2). Auch wenn sich Prantl gegen staatliche Unterstützung aus, ist er zugleich (mit Verweis auf das FAZ-Stiftungsmodell) Befürworter einer Zeitungsstiftung als „wahre Gemeinwohl-Stiftung“. „Es ist ja bitteschön nicht so, dass die Zeitungen in Deutschland…seit Jahren in der Verlustzone drucken. Sie machen nur nicht mehr so hohe Gewinne wie zuvor. Das kommt in den besten Unternehmen vor…Die Verlage nutzen aber die angebliche Not für überzogene Notwehr. Viele der sogenannten Restrukturierungsmaßnahmen und Kündigungswellen in deutschen Medienhäusern sind Putativnotwehrexzesse – die zugleich, und das ist das wirklich Tragische, die Basis für künftiges Gedeihen der Presseunternehmen gefährden. Die deutschen Zeitungen...brauchen Verleger, die einen solchen Journalismus schätzen, die also von ihren Zeitungen mehr wollen als Geld, die stolz sind darauf, dass sie Verleger sind; und denen dieser Stolz mehr bedeutet als ein oder zwei Prozent mehr Gewinn“ (PRANTL 2009a, S.3). „Man sollte endlich damit aufhören, Gegensätze zu konstruieren, die es nicht gibt – hier Zeitung und klassischer Journalismus, da Blog mit einem angeblich unklassischen Journalismus. Man sollte damit aufhören, mit ökonomischem Neid auf die Blogs zu schauen. Mit und in den Blogs wird sehr viel weniger Geld gemacht als mit den Zeitungen. … Der gute klassische ist kein anderer Journalismus als der gute digitale Journalismus. …Es gibt guten und schlechten Journalismus, in allen Medien...Die Ausweitung des wissbaren Wissen durch das Netz (der Philosoph Martin Bauer nennt es die horizontale Erweiterung des Wissens) wird auf Kosten ihrer Vertiefung erwirtschaftet (also, nach Bauer, ihrer Vertikalisierung). Kurz: Die Datenmenge nimmt zu, aber die Datenverarbeitung bleibt aus. Da kommt dem Journalismus eine neue Aufgabe zu: Gegen Datentrash hilft nur Reflektion und Hintergrundbildung. Daher muss der Print-Journalismus auf die Medienrevolution auch mit der Erfindung neuer „Formate“ reagieren, in denen er eine Aschenputtel-Aufgabe wahrnimmt: Die guten ins Töpfchen, die schlechten ins Kröpfchen“ (PRANTL 2009a, S.5). Es besteht wie noch nie seit 1945 die akute Gefahr, dass der deutsche Journalismus verflacht und verdummt, weil der Renditedruck steigt; weil an die Stelle von sach- und fachkundigen, nicht von Interessengruppen bezahlten Journalisten immer öfter von Produktionsassistenten für Multimedia gesetzt werden, wieselflinke Generalisten, die von allem wenig und von nichts richtig etwas verstehen. Aus dem Beruf, der heute Journalist heißt, wird dann ein multifunktionaler Verfüller von Zeitungs- und Webseiten. Solche Verfüllungstechnik ist allerdings nicht die demokratische Kulturleistung, zu deren Schutz es das Grundrecht der Pressefreiheit gibt...Das Muster kennt man…aus den USA: Journalisten werden entlassen, Korrespondenten eingespart, Redaktionen aufgelöst, eigene Texte durch solche von Agenturen ersetzt oder billig eingekauft. Die Chefredaktion verwandelt sich in eine Geschäftsführung“ (PRANTL 2009a, S.8). „Der Inhalt der Zeitung wird ein anderer sein, als man es bisher gewohnt war, aber sie wird immer noch und erst recht Zeitung sein…Es wird auch Texte und Formate geben müssen, die den Datentrash des Internet sortieren, ordnen und bewerten…ich glaube, dass sich viele Zeitungsleser das auch etwas kosten lassen werden – und dass es User geben wird, die genau deswegen zur Zeitung finden werden" (PRANTL 2009a, S.9). „Ein Billigjournalismus ist zum Wegwerfen, nicht zum Lesen. Wenn sich eine Zeitung an Anzeigenblättern orientiert, ist sie keine Zeitung mehr, sondern eben ein Anzeigenblatt, das nicht einmal mehr ausreichend Anzeigen kriegt...Prantl über das Internet: „Kein neues Medium hat je die alten Medien verdrängt. Es kommt zu Koexistenzen. Das Internet ersetzt nicht gute Redakteure, es macht gute Journalisten nicht überflüssig; im Gegenteil: es macht sie noch wichtiger als bisher...„Qualität kommt von Qual: Dieser Satz verlangt von Journalisten in allen Medien, auch im Internet, dass sie sich quälen, das Beste zu leisten – und er verlangt von den Verlegern, dass sie die Journalisten in die Lage versetzen, das Beste leisten zu können. Dann hat Journalismus eine glänzende Zukunft“ (PRANTL 2009a, S.10).
    13 years ago by @immaterialgut
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    Rusbridger ist gegen Bezahlschranken und bezahlte Inhalte im Internet und positioniert sich damit zu den mächtigen Verfechtern von Paid Content wie Rupert Murdoch, dem Axel-Springer-Verlag und auch der "New York Times": "Es ist für Zeitungen und den Journalismus eine erstaunliche Chance, wenn man die Möglichkeiten sieht, und ihnen offen gegenübersteht - wenn man Teil der ganzen digitalen Veränderung sein will, die beeinflusst, wie alle Menschen miteinander kommunizieren. Den schlimmsten Fehler, den man derzeit machen kann ist, paralysiert zu sein vom Gedanken, woher das Geld dafür kommen soll und darum versucht, finanzielle Barrieren für die Leser durchzusetzen, die einen abschneiden von der Welt", so Rusbridger. "Die Zukunft des Journalismus spielt sich hauptsächlich digital ab...Man muss ein Teil dieser Welt sein und sollte sie nicht ablehnen, indem man Barrieren und Mauern rund um sich aufbaut...Das Angebot an den Leser muss sich radikal verändern und wir müssen begreifen, dass Journalismus eher der Beginn eines Prozesses ist, anstatt dessen Ende...Wir müssen überlegen, wie wir es dem Benutzer ermöglichen und erlauben, sich einzubringen...Eines der Hauptprobleme dabei ist, wie man gleichzeitig bei aller Ressourcenknappheit die Zeitungsproduktion aufrecht erhalten kann...Ich hoffe, Zeitungen überleben. Viel wichtiger aber ist es, sich die Frage zu stellen, ob der Journalismus überlebt. Das ist viel wichtiger, als die Frage ob ich ihnen Informationen vor die Haustüre liefere oder anders zukommen lasse.
    13 years ago by @immaterialgut
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    Direktor des Max-Planck Instituts für Geistiges Eigentum, Wettbewerbs- und Steuerrecht in München und Beiratsmitglied von iRights.info auf dem Netzpolitischen Kongress der Bundestagsfraktion der Grünen. Diverse andere Audio-Mitschnitte und Zusammenfassungen von Reden und Workshops unter http://www.gruenes-blog.de/netzpolitik/
    13 years ago by @immaterialgut
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    “Viele Netzaktivisten und Juristen halten die Urheberrechte in ihrer heutigen Form deshalb für überholt. Die Vorstellung, dass jemand für sein Werk ein “geistiges Eigentum” beanspruchen könne, behindere den kulturellen Fortschritt heute eher als ihn zu fördern. Stimmt das? Und welche Folgen hätte es für Kunst, Presse und Wissenschaft, wenn alle Werke ohne Einschränkung vervielfältigt und weiter verarbeitet werden dürfte? Wäre es ein Freibrief für die Guttenbergs dieser Welt? Und wovon sollen Kreative dann noch leben? Ist die Zeit der superreichen Popstars zu Ende?”
    13 years ago by @immaterialgut
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    Video-Blogger SemperCensio fordert deutsche Verlage auf, vom "Weg des Losers" abzukommen, der versuche, "in den Schutzmantel des Staates zu schlüpfen". Die Tageszeitungen seien ein überflüssiges "Relikt aus der alten Zeit" und müssten dem Gang der Zeit folgend sterben - nicht aber die Diensleistung des Informationentransports. "Es hat auch keinen gestört als Ende der 70er Jahre die ganzen Tante-Emma-Läden ausgestorben sind, weil sie von den Supermärkten geplättet wurden" - die Menschen hätten ja schließlich auch weiterhin eingekauft, nur eben auf andere Art und Weise. Spätestens in 20 Jahren werde es die Politik nicht mehr einsehen, warum sie die komplette Zeitungslandschaft ohne Auflage quer subventionieren soll, prognostiziert SemperCensio. Sein Ratschlag an die Verlage: Neue Felder besetzen, denn: "Angriff ist die beste Verteidigung". Der Tod der Zeitungen habe nicht mit dem Internet, sondern bereits mit dem Fernsehen begonnen - der momentanen Nachrichtenquelle Nummer eins. "Informationen konsumieren sich halt viel leichter, wenn sie audiovisuell dargestellt werden." Das Sterben der Zeitungen sei nicht zwangsläufig auch ein Sterben der Zeitungsredaktionen, sondern "heißt allenfalls, dass die gleichen Informationen auf einem anderen Medium daherkommen." SemperCensio zufolge sollten sich die Zeitungsredaktionen in TV-Redaktionen verwandeln: Printinformationen müssten demnach in Audio-Podcasts und Videos on demand gepackt und auf youtube gestellt werden, wo das entsprechende TV-Interface schon vorhanden sei. "Am Ende wandelt sich also nur der Output-Prozess." Darin liegen SemperCensio zufolge "wahnsinnige Möglichkeiten": Komplette Zeitungsarchive könnten in Audioform gepackt, also digitalisiert werden. In diese Clips müsse man dann eine nicht-ausblendbare Werbung integrieren.
    13 years ago by @immaterialgut
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    Stefan Schulz im Soziologenblog: "Luhmann sprach ’71 bei der Kopplung von Politik und Recht von einer möglichen „Fehlspezifikation”, die sich erst jetzt so recht zeigt. Während Technikfreaks, Wirtschaftler und Wissenschaftler jeden Tag neues Lernen und jede einzelne Entdeckung potenziell die ganze Welt umkrempelt (und man nicht mal im Einzelnen zu verstehen braucht, wies genau funktioniert), brauchen politische und rechtliche Entscheidungen, durch ihre langwierigen Verfahren der Explikation, Diskussionen und Debatten viel mehr Zeit und halten aktuell nicht mehr ganz Schritt...In Soziale Systeme (Seite 509) spricht Luhmann vom Recht als gesellschaftliches „Immunsystem”. Es kann abwegige Verhaltenserwartungen stabilisieren. Beispielsweise ist es dafür zuständig, dass nicht jedes kognitiv erlernte Wissen (wie besorge ich mir teures Kulturgut kostenlos?), problemlos eingesetzt werden kann. Es baut normative Sperren, die den Egoismus des Einzelnen für das Allgemeinwohl begrenzen (um es mal idealtypisch zu sagen)...Die Technologieentwicklungen, die freie Radikale hervorrufen, schwächen das Immunsystem und sorgen für nachhaltige Veränderungen. All dies könnte Grund genug sein, weshalb wir aktuell wieder weniger Demokratie wagen."
    13 years ago by @immaterialgut
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    Stefan Schulz im Soziologenblog: "eine Zeitung nicht deswegen zu ihrem Phänotyp gekommen ist, weil es aus Distributionsgründen sinnvoll war, viel Text zu unterschiedlichen Themen auf wenig Papier zu pressen und gebündelt auszuliefern...Sondern, dass das primäre Strukturmerkmal einer Zeitung darin bestand..., dass sich die Gesellschaft in ihrer räumlichen Entgrenzung ab dem 14. Jahrhundert, über alle regionalen und sozialen Unterschiede hinweg, auf eine Realitätsversion einigte. Diese gemeinsam geteilte Realitätsgrundlage wurde durch Zeitungen erzeugt...Man liest Zeitung um sich darüber zu informieren, worüber andere sich informieren, wenn sie in der Zeitung lesen, was in der Welt passiert. Und diese Funktion wird durch das Internet nicht ersetzt...Zeitungen hatten damals sechsstellige Auflagen und heute Millionen Webbesucher. Ja, die technischen Grundlagen haben sich sehr gewandelt, aber das Prinzip ist das gleiche.(Nicht mal die Finanzierungsfrage hat bis jetzt daran gerüttelt.)...Zeitungen sind an solch einem Übermachts-Habitus bereits gestorben, bevor man die Schuld dem Internet in die Schuhe schieben konnte. Und Zeitungen blühen trotz so eines Übermachts-Habitus auf, gerade weil sie das Internet strategisch und klug nutzen (siehe Spiegel Online). Auch ohne Internet kennen Massenmedien Konkurrenz, die ihnen Kontrollwille und allzu wildes Agendamanagment verbietet. Und nachhaltiger Schaden lässt sich durch „Bildblog für alle“ auch nicht wirklich feststellen. Den Skeptizismus gegenüber den einzelnen Angeboten der Massenmedien gab es schon immer (hervorgerufen durch die Massenmedien selbst) – nur jetzt kann man ab und zu mal ordentlich über die Redaktionen lachen und immer wieder neu feststellen, dass dort auch nur Menschen arbeiten...Gerade jetzt, da die Nutzung der Distributionswege so billig wird, spielt Quantität beinah keine Rolle mehr. Wer sein Renommee für ein paar Klicks hergibt (siehe Stern), ist selbst schuld. Nach 20 Jahren Internet stellt sich zudem die interessante Frage: Warum sollten Zeitungen und besonders Zeitschriften überhaupt eine Webseite mit kostenlosen Inhalten haben? Das, was in gut aufgestellten Zeitungen/Zeitschriften steht, findet man im offenen Internet nicht. Aber gerade der billige Distributionsweg lässt sich ausbeuten, mit E-Paper und App-Angeboten, die überzeugen."
    13 years ago by @immaterialgut
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